Logo - Mag. Robert Haupt, LL.M. - Rechtsanwalt - zurück zur Homepage

„Greenwashing“

 

In der dt Lit wird kritisiert, dass die Taxonomie-VO den Mitgliedstaaten die Festlegung der Vorschriften für Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen überlasse und sich mit dem Hinweis auf das effet utile-Prinzip beschränke, weshalb keine Harmonisierung für Bußgelder, Unterlassungsansprüche, Verbote oder Shaming bestehe.

Der „Anlegerschutz“ hat sich aber als probates Mittel zur Einhaltung von Wohlverhaltensregeln in der Praxis erwiesen. Es soll in der Folge kursorisch dargestellt werden, welche Ansprüche von Anlegern bzw. Versicherungsnehmern (VN) gegen welche Akteure bei Rechtsverstößen in der Praxis geltend gemacht werden (können):

I. Informationspflichten, Wohlverhaltensregeln und Anspruchsadressaten beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten

1.) Versicherungen (VR)

 a) Grundsätzlich muss der VR die Wünsche und Bedürfnisse des VN ermitteln und die dafür erforderlichen Informationen einholen, sodass der angebotene Vertrag den Wünschen und Bedürfnissen des VN entspricht. Bei Versicherungsanlageprodukten (hier: insbesondere interessierend fondsgebundene Lebensversicherungen) kommt es vor allem auf das Anlageziel und das -risiko an, weshalb der VR die Kenntnisse und Erfahrung des VN im Anlagebereich, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz, einzuholen hat.

Das ist nicht neu, aber ergibt sich diese Verpflichtung nun auch aus der delegierten Verordnung 2017/2359. Seit 02.08.2022 sind zusätzlich noch die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen. Dabei soll sowohl das Konzept der Nachhaltigkeitspräferenzen als auch die Bedeutung der Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte in verständlichen, einfachen Worten umfassend erklärt werden. 

Selbst bei (wirksamem) Beratungsverzicht entfällt der „Wunsch-Bedürfnis-Test“ nicht. – Sofern VR keine den Nachhaltigkeitspräferenzen des VN entsprechende Versicherungsanlageprodukte in ihrer Produktpalette haben, muss darauf hingewiesen werden. Es kann damit zu Situationen kommen, wo der VN zwar einen Veranlagungswunsch in sich trägt, aber die Produktpalette des Beraters „seines Vertrauens“ kein seine Nachhaltigkeitspräferenz abbildendes Veranlagungsprodukt umfasst. Das birgt natürlich die „Gefahr“, dass sich ein VN – mehr oder weniger – dennoch zum Abschluss gedrängt fühlt und ein Produkt wählt, das seiner Nachhaltigkeitspräferenz eigentlich nicht entspricht, was aber „Konfliktpotential“ mit sich bringt.

b) Als Anspruchsgrundlage kommt zunächst die Irrtumsanfechtung (samt Rückabwicklung des Versicherungsvertrages) in Betracht, wenn insb der Irrtum wesentlich ist und alle nötigen weiteren Voraussetzungen vorliegen. In der Lit wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die Nachhaltigkeit wohl nicht das einzige ausschlaggebende Argument für den Abschluss sein wird, sondern auch Renditeerwartungen etc., weshalb es die Motivation bei Abschluss zu hinterfragen gilt. – Sofern Informationspflichten verletzt werden, die für die Vertragsentscheidung des VN wesentlich sind, berechtigt auch das zur Irrtumsanfechtung.

c) In der Lit wird im Zusammenhang mit Anlageberatung ua auch der Rechtsbehelf der Gewährleistung. Der OGH hat bereits betont, dass der einzige Unterschied im maßgebenden Zeitpunkt liegt: Beim Irrtum kommt es auf jenen der Vertragserklärung an, bei der Gewährleistung auf jenen der Erfüllung. Eigenständige Bedeutung hätte die Gewährleistung daher nur im (unwahrscheinlichen) Fall, dass sich die Verhältnisse zwischen diesen Zeitpunkten ändern. Am Beispiel der fondsgebundenen „grünen“ Lebensversicherung soll das erläutert werden: Weil mit Zusendung der Polizze (= Vertragsabschluss) gleichzeitig die Auswahl der („grünen“) Fonds feststeht, in welche die Sparprämie (planmäßig) veranlagt wird, greifen die Gewährleistungsbehelfe uE hier nicht. – Auch die Argumentation mit „aliud“ kommt uE nicht Betracht, weil das Versicherungsvertragsrecht die Fälle der Abweichung zwischen Antragstellung und Vertragsabschluss besonders regelt.

d) Die genannten Wohlverhaltensregeln vor Abschluss dienen nicht nur abstrakt dem Kundenschutz, sodass Schadenersatzpflichten des Versicherers in Betracht kommen, sofern die allgemeinen Voraussetzungen dafür vorliegen. Der Primärschaden liegt im Erwerb des in Wahrheit nicht in dieser Form gewollten Versicherungsprodukts; also bei mangelnder oder fehlerhafter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitspräferenzen. Der geschädigte Anleger, der seine „ungewollte Versicherung“ noch nicht gekündigt hat, kann Naturalrestitution nach §1323 ABGB begehren.

Der nachhaltigkeitsorientierte VN wird idR ein interessierter VN sein und die Aktivitäten der Fonds sorgfältig studieren, um bei Änderungen, die seiner Nachhaltigkeitspräferenz widerstreiten, „aktiv“ zu werden. Daran wird er auch guttun, weil bei der Kausalitätsprüfung (Anm: sowie bei der Prüfung des Verjährungsbeginns) hinterfragt wird, ob die unberücksichtigte Nachhaltigkeit beim Produkt nicht nur ein Vorwand ist, weil sich allfällige Veranlagungsrisiken verwirklicht haben.

2.) Versicherungsvermittler

Bei Einschaltung von Versicherungsvermittlern entfallen idR die oben dargestellten Pflichten des VR. Bei den Versicherungsvermittlern ist iW zwischen Agenten und Maklern zu unterscheiden.

a) Der Einfach- oder Ausschließlichkeitsagent mit Agenturvertrag ist „verlängerte Hand“ seines VR und ihm haftungsrechtlich zuzurechnen. Auch wenn der Agent dem VN persönlich haftbar werden kann, so scheint das uE in der Praxis die Ausnahme zu sein, weil gegen die VR (als Vertragspartner) insb. auch die Irrtumsanfechtung kumulativ geltend gemacht werden kann.

b) Der Versicherungsmakler ist zwar regelmäßig ein Doppelmakler, wird aber trotzdem als Hilfsperson des VN dessen Sphäre zugerechnet und hat primär als „Bundesgenosse“ des VN dessen Interessen zu wahren. Der Versicherungsmakler schuldet die Vermittlung des nach den Umständen des Einzelfalls bestmöglichen Versicherungsschutzes (best advice). Anders als der Versicherer und der Einfachagent muss er aus dem Markt das bestgeeignete Versicherungsprodukt auswählen. Im gegebenen Zusammenhang stellt sich damit für den Makler die (wohl unlösbare) Aufgabe, dass er damit das „grünste“ Versicherungsprodukt finden muss! – Das Auffinden des „grünsten“ Versicherungsprodukts wird sich mangels Vergleichbarkeit der Branchen (siehe unten) praktisch aber gar nicht umsetzen lassen. Bei einer schuldhaften rechtswidrigen Pflichtverletzung aus dem Beratungsvertrag wird der Makler dem VN nach allgemeinen Haftungsvoraussetzungen jedenfalls haftbar.

II. Informationspflichten, Wohlverhaltensregeln und Anspruchsadressaten bei der Anlageberatung

1.) Anlageberater

Zur Vermeidung von Wiederholungen beschränken sich die nachstehenden Ausführungen auf die Besonderheiten bei der Anlageberatung im Vergleich zum Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten. Die Nachhaltigkeitsfrage stellt sich auch hier in höchstem Maße, was etwa Bestrebungen eines gemeinsamen Regelwerks zur Verwendung der Bezeichnung „europäische grüne Anleihe“ (oder „European Green Bond“) zeigen.

a) Anlageberater (mit einer Konzession) müssen ebenfalls die anlagespezifischen Kenntnisse und Erfahrungen des Anlegers, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz einholen. Ab 02.08.2022 sind im Zuge der Anlageberatung zusätzlich noch die individuellen Nachhaltigkeitspräferenzen zu erheben.

b) Bei der Irrtumsanfechtung stellen sich dieselben Fragen wie beim Abschluss von Versicherungen, wobei hier zu beachten ist, dass die Rückabwicklung nur gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden kann.

c) Anders als idR beim Abschluss von Versicherungen kommen bei der Anlageberatung uE die Gewährleistungsbehelfe – etwa beim Terminkauf – in Betracht, wobei aber der Schadenersatzanspruch – aufgrund der günstigen (auf subjektive Momente beim Geschädigten abstellende) Verjährungsregelung – in der Praxis weitaus relevanter ist.

Zur Frage, ob Zertifikate ein aliud im Vergleich zu Aktien darstellen, deren Lieferung in Verzug setzt und damit dem Anleger die Geltendmachung des Rücktritts vom Vertrag für 30 Jahre eröffnet, hatte der OGH mit der Begründung verneint, dass nach der Vertragsauslegung ohnehin Zertifikate geschuldet waren.

d) Wie bereits bei den Versicherungen aufgezeigt, kann die Verletzung der Wohlverhaltensregeln[38] haftbar machen. Der Anlageberater unterliegt auch hier dem Sorgfaltsmaßstab eines Sachverständigen iSd § 1299 ABGB. Ein Schaden aus einer fehlerhaften Anlageberatung ist bereits durch den Erwerb des in Wahrheit nicht gewollten Finanzprodukts eingetreten. In der Lit wird zutreffend vertreten, dass mangelnde oder fehlerhafte Berücksichtigung der Nachhaltigkeitspräferenzen einen Schaden beim Anleger in Form eines „ungewollten“ Anlageprodukts verursachen kann wobei natürlich stets die Motivationslage beim Abschluss zu hinterfragen ist.

2.) auftragsausführende Bank und angebundene Vermittler?

Falls die Bank nur einen Auftrag ausführt und ihr kein Anlageberater zugerechnet werden kann, scheidet eine Haftung für fehlerhafte Anlageberatung (eines Dritten) in der Regel aus.

Weil die Eigenhaftung des Vertreters grundsätzlich die seltene Ausnahme bleiben soll, wird die direkte Haftung der angebundenen Vermittler (vertraglich gebundene Vermittler bzw. Wertpapiervermittler) nicht näher untersucht.

III. Sonderthema: „Greenwashing“ Werbeprospekt

a) Wird ein Versicherungsanlage- oder ein Anlageprodukt als besonders „grün“ angeboten, obwohl das nicht (im beworbenen Ausmaß) den Tatsachen entspricht, ist in der Lit ua von „kapitalmarktrechtlichem Greenwashing“ die Rede. Die Vermeidung von „Greenwashing““ dient auch dem Anlegerschutz.

„Greenwashing“ wird nun etwa durch die technischen Regulierungsstandards (RTS) zur Offenlegungs-VO begegnet, weil sie den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen festlegen, wodurch die Qualität und die Vergleichbarkeit verbessert werden soll. Bislang war das Problem, dass die Bewertung von ua. nachhaltigen Finanzprodukten nicht nach einheitlichen Kriterien erfolgte.

b) Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass ein irreführender Werbeprospekt zur Irrtumsanfechtung berechtigt.

Einen Schritt weiter ging aber eine Entscheidung des OLG Wien, wonach eine – der dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegende – Haftung wegen arglistiger Irreführung (§ 874 ABGB) vorliegen kann, wenn zB Werbebroschüren jemandem (auch einem Dritten, der nicht Vertragspartner ist) bekannt gewesen wären, der sich damit zumindest abgefunden (dh es billigend in Kauf genommen) hatte, das Publikum, durch die unrichtige Information für das Produkt zu interessieren und zum Kauf zu verleiten.

c) Bei der zivilrechtliche Prospekthaftung geht die Rsp von einem umfassenden Prospektbegriff aus und stellt darauf ab, ob ein Schriftstück dem Vertrieb einer Anlage dient und generell geeignet ist, den Anlageentschluss eines potentiellen Anlegers zu beeinflussen, indem der Anschein einer ausreichenden und objektiven Anlageinformation erweckt wird. Entscheidend ist nicht die Form einer Information, sondern ob durch diese zu einem erkennbar veranlagungsrelevanten Umstand ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde. Es haben all jene Personen für eine sachlich richtige und vollständige Information einzustehen, die durch ihr nach außen in Erscheinung tretendes Mitwirken an der Prospektgestaltung einen besonderen – zusätzlichen – Vertrauenstatbestand schaffen, also auch (externe) Fondsgesellschaften. – Die Prospekthaftung nach KMG wird hier nicht näher besprochen.

d) Allerdings zeigen Rechtsstreitigkeiten in Deutschland wegen irreführender Werbung für Nachhaltigkeitsfonds oder wegen (vorgeworfener) „irreführende[r] Werbung für angeblich nachhaltige Geldanlagen“ in Zusammenhang mit einer rezenten Entscheidung des OGH eine neue Anspruchsgrundlage für Verbraucher auf: So hat der OGH kürzlich entschieden, dass der Unternehmer, der irreführende Angaben über sein Produkt macht, dem Verbraucher, der durch diesen Lauterkeitsverstoß einen Schaden erleidet, zur Leistung von außervertraglichem Schadenersatz verpflichtet ist. – Das wird auch für eine Fondsgesellschaft und die von ihr den VR oder den Anlageberatern zur Verfügung gestellten Werbeunterlagen gelten, die mit dem VN bzw. dem Anleger idR in keinem unmittelbaren Vertragsverhältnis steht. Ob das allerdings wirklich einen „Mehrwert“ für den Verbraucher insb. im Vergleich zur sehr weitgehenden (zivilrechtlichen) Prospekthaftung bringt, darf hinterfragt werden.

 

Wenn Sie mehr wissen möchten: Rufen Sie mich unverbindlich an oder schicken Sie mir Ihre individuelle Anfrage – in einer Ersteinschätzung klären wir dann gemeinsam ab, was ich für Sie tun kann!